Aktiv & Vital KW 20/23 – Die Gründung des Klosters Ramsen
Fortsetzung …
Die Gründung des Klosters Ramsen
„Da ein altes Sprichwort aber sagt, dass jeder Fluch auf den zurückfällt, der ihn ausgestoßen, so traf auch die beiden neidvollen Schwestern sehr bald großes Unglück. Sie trauten keinem Menschen mehr und vergruben ihre reichen Goldschätze bei der Burg, stachen aber dem Knechte, der die Schätze vergraben musste, beide Augen aus und ertränkten ihn dann mit eigenen Händen in dem tiefen Stumpfgebiet des Eistales. Bei einer Entenjagd aber kamen die beiden bösen Schwestern zu weit in die Sümpfe und gingen darin elend zugrunde. Niemand konnte sie retten, soviel sie auch schrien. Ihre letzten Äußerungen waren die, dass der Knecht, den sie in diesen Stumpf gestoßen hatten, sie nun an den Füßen zu sich in die Untiefe gezogen habe und wirklich erklang bei ihrem Versinken auch ein unheimliches Lachen.
Als die Gattin des Burgherrn von Winzingen von diesem Unglück ihrer beiden Schwestern erfuhr, eilte sie mit ihrem Ehemann sogleich nach Stauf. In einer stillen Sommernacht stand sie träumend und sinnend auf dem Söller der Burg, während Ritter Bertold mit seinen Freunden in der Halle beim Spiele saß. Da kam plötzlich aus dem Felsen eine Hand und zog an ihrem Kleide. Die Burgfrau, die ja nichts sehen konnte, erschrak erst; aber da erklang eine bittende Stimme aus dem Felsspalt: „Neige dein Ohr an diesen Spalt und ich will dir sagen von deinen Schwestern!“
Die Schlossfrau folgte dem Rufe und hielt ihr Ohr dicht an den Fels, der hier einen breiten Riss hatte. Da sagte die Stimme leise zu ihr: „Ich bin derjenige der deiner Schwestern Gold vergraben und der sie auch in den Sumpf des Eisbaches gezogen. Weil ich für mich heimlich von dem Golde weggetan, wurde ich bestraft. Ich leide so mit deinen Schwestern, die dir so vieles von dem Golde aus Neid vorenthalten hatten. Komme in der nächsten Nacht mit deinem Manne zu der breiten Buche über dem Tal am Rosenberg, da wo dein Mann den Bergmann getroffen hat, der ihm von dir erzählte. Ich werde dir dort zeigen wo das viele Gold liegt. Nimm einen Teil für dich, einen Teil verwende zum Bau eines Bethauses, den dritten Teil aber gib den armen Leuten. Sage aber niemandem davon als deinem Manne, dann wird dir eine große Freude widerfahren!“ Dann war die Stimme weg.
Die Edelfrau tat nach dem Geheiß der Stimme und ging in der kommenden Nacht mit ihrem Ritter zu der bezeichneten Stelle unter der mächtigen Buche. Dort fanden sie ein kleines Bergmännlein, das sie führte und ihnen den vergrabenen Schatz zeigte. Die Rittersleute taten nun wie ihnen die Stimme geboten hatte und erbauten an der Stelle, wo sie den Schatz gefunden, das nachmalige Kloster, das den Namen „Ramosa“ erhielt.
Als das Kloster eingeweiht wurde, bekam die Edelfrau, die ja von Kind an blind gewesen, wieder ihr Augenlicht. Der Ritter von Winzingen aber konnte die bösen Schandtaten seiner beiden Schwägerinnen nicht vergessen und ließ darum nur wenig für ihr Seelenheil beten. Und so kommt es, dass diese vor kurzer Zeit noch in ganz bestimmten Nächten im Schilfe des Eiswooges geisterten und viele alte Leute von Ramsen und Stauf wollen schon gesehen haben, wie in mondhellen Nächten zwei Frauen in langen Gewändern, die eine mit raben-schwarzen, die andere mit feuerroten Haaren durch das Tal irrten und bitterlich weinend, bald traurige Lieder singend, bis sie von einem graugrünen Ungeheuer mit dem Glockenschlage eins, der von Ramsen herüberklingt, wieder in den Woog zurückgezogen wurden und ein weithin hörbares schreckliches Lachen ertönt.“
In der heutigen Zeit will niemand mehr die Erscheinung gesehen haben. Von dem Kloster Ramosa und seinem Gründer Berthold von Winzingen aber erzählt uns die Geschichte immer noch.
Quelle: „Meine Heimat“ Georg Spieß